Archiv der Kategorie: Achtsamkeit und Religion

Das Leben nicht verstehen

Ein Rilke-Gedicht steht im Mittelpunkt der inspirierenden Predigt von Pater Josef im Weihnachtsgottesdienst in Sankt Ludwig:

Du musst das Leben nicht verstehen
dann wird es werden wie ein Fest.
Und lass dir jeden Tag geschehen
so wie ein Kind im Weitergehen
von jedem Wehen
sich viele Blüten schenken lässt.

Sie aufzusammeln und zu sparen,
das kommt dem Kind nicht in den Sinn.
Es löst sie leise aus den Haaren,
drin sie so gern gefangen waren,
und hält den lieben jungen Jahren
nach neuen seine Hände hin.

Der Pater zieht einen Bogen von 2000 Jahren zurück zur Lehre von Jesus Christus, der den Menschen nahe legt, zu werden wie die Kinder, wenn sie das Paradies sehen wollten.

Lange Zeit konnte ich nichts anfangen mit diesem eigenartigen Satz. Doch die Verbindung zu Rilke hilft: Kinder, so sie eine glückliche Kindheit genießen dürfen, leben in der Fülle. Sie vertrauen darauf, dass jeder neue Augenblick ihnen genug gibt und so zu einer Quelle des Glücks wird. Noch hat der Verstand, der Planer, der Kritiker, der Sorgenmacher sie nicht im Griff. Er ist es, der sie im Laufe der Jahre Schritt für Schritt aus dem Paradies entführen wird.

Und was heißt das für mich als Erwachsenen? Meinen Verstand lahm legen kann und möchte ich nicht. Schließlich hat er mir schon oft wunderbare Dienste geleistet. Aber was sich lohnt sind Experimente, die mich erkunden lassen, was da neben dem Verstand noch alles ist.

Was geschieht, wenn ich meine Gedanken als Gedanken wahrnehme und würdige, mich gleichzeitig aber auf die Erfahrung des Drumherum konzentriere?

Auf Geräusche im winterlichen Park beim Morgenspaziergang,
auf den Anblick winterschlafender Bäume,
auf die Kälte des nassen Windes in meinem Gesicht.

All diese Erfahrungen entfalten ihre Wirkung verstandesunabhängig. Sie lösen in mir ein Wohlgefühl aus, ein Gefühl von Wonne, Glück, Ehrfurcht. Verbundenheit.

Für einen Moment werde ich zum Kind, das wieder auf die Fülle vertraut und – ein großes Wort – das Paradies schaut.

Vielleicht ein Vorsatz fürs neue Jahr:
2019 wird das Jahr, in dem ich mehr vertraue.
Ein großer Vorsatz – sagt der Verstand.

Pindo

 

Spuren aus Licht

Achtsamkeit war für mich in den vergangenen Jahren ein vielfacher Türöffner – auch in Richtung Glauben, der mich als Kind geprägt hat und der im Staub meines Ärgers über all das Bedrückend Diesseitige in der Institution Kirche schon fast erstickt war.

In Berlin finde ich nun Menschen und eine Gemeinde, die mir helfen, diesen spirituellen Teil meines Lebens neu zu entdecken. Über sie habe ich auch das folgende Lied kennen gelernt. Seine schlichte Schönheit dringt tief.

In Assoziation dazu drei Bilder, die ich vor einiger Zeit in Maria Regina Martyrum gemacht habe. In der Kirche wird den Opfern der Hinrichtungsstätte Plötzensee gedacht.

Pindo

Spuren aus Licht
durchziehn die Zeit
leuchten bis heute
in Ewigkeit.

Spuren aus Licht
kommen von weit,
strahlen von ferne
in unsere Zeit.

Spuren aus Licht
in Freud und Leid
dringen bis tief
in die Dunkelheit.

Spuren aus Licht
durchziehn die Zeit
leuchten bis heute
in Ewigkeit.

Vom Himmel zur Erde
und wieder zurück.
Gott ist mit uns
jeden Augenblick.