In diesem Schuljahr unterrichte ich eine siebte Klasse in Spanisch. Wie all meine Lerngruppen habe ich auch diese recht bald mit Achtsamkeit in Kontakt gebracht. Seitdem sind achtsame Auszeiten im Unterricht fester Bestandteil unseres gemeinsamen Arbeitens. Auch nach mehr als zehn Jahren arbeite ich immer noch sehr gerne mit Soryu Foralls niedrigschwelligem Ansatz Mind the Music. Die Schüler*innen lieben es einfach, wenn sie im Unterricht die Möglichkeit haben, für einen Moment ihre Musik zu hören. Die Experimente mit Achtsamkeit – Fokus halten und wechseln, Kontakt mit Emotionen und Gedanken, Switch zwischen „außen hören“ und innen hören“ – machen sie da ganz nebenbei.
In anderen Momenten sitzen wir nur ein paar Minuten in Stille, machen eine kurze Reise durch unsere Körper, bemerken den Kontakt der Füße mit dem Fußboden, spüren das Gewicht unseres Körpers auf dem Stuhl, erkennen, dass wir Hände haben, nehmen den immer irgendwie vorhandenen Druck in unseren Schultern gelassen zur Kenntnis, denn ja, auch Siebtklässlerschultern tragen bereits niederdrückende, Verspannungen erzeugende Lasten…
Die Übungen enden in der Regel mit einem Atemraum, wie Susanne Krämer diese kurzen Atembeobachtungen in ihrem großartigen Buch Wache Schule nennt. Daran anschließend genießen wir dann gemeinsam noch einen Moment diese einzigartige, friedliche Stille, die entsteht, wenn eine Gruppe von Menschen sich gemeinsam dazu entscheidet, für ein paar Minuten gemeinsam zu schweigen. In der Schule, wo so oft durcheinander gebrüllt wird und oft Hektik pur herrscht, wirken solche Momente wie kostbare Perlen.
Vergangene Woche kam mir in diesem Moment gemeinsamer Stille spontan die Idee zu einem kleinen Experiment. Mit ruhiger Stimme bat ich die Schüler*innen für einen Moment die Augen zu schließen und ihre Gedanken ganz entspannt der vergangenen Stunde von vor zwei Tagen zuzuwenden. Ich bat sie zu schauen, ob sie sich an das Thema der Stunde erinnern konnten, brachte ihnen ins Gedächtnis, dass wir ein Tafelbild gemeinsam erarbeitet hatten und ließ sie sich an die neu eingeführten Formen erinnern. Dabei ermunterte ich sie immer wieder, auch den Atem zu beobachten, besonders ihr Ausatmen wahrzunehmen und sich klarzumachen, dass Ausatmen unweigerlich das Zwerchfell entspannt und dass sie, indem sie sich das klar machen, die Möglichkeit haben, die physische Entspannung auf ihren Geist zu übertragen.
Der Frieden im Raum wich einer entspannten Konzentration. Die meisten Schüler*innen hatten tatsächlich die Augen geschlossen und waren in ihre Gedanken vertieft. Nach ein paar Minuten beendete der Ton des Klangstabs die Übung, die Schüler*innen öffneten die Augen und begannen ruhig und bestimmt zu erzählen. Dabei ließen sie sich Zeit h,örten sich gegenseitig zu, reagierten aufeinander mit zustimmenden Äußerungen wie „Ach ja, genau“ Hier eine Rekonstruktion der Abfolge:
Es ging um Possessive.
Das sind Wörter, die Besitz ausdrücken, oder Zugehörigkeit.
Sie haben uns das englische Wort ‚to possess‘ genannt, es gibt auch das Wort ‚to own‘ aber ‚possess‘ heißt auch besitzen auf Englisch.
Die Formen sind mi / mis, tu / tus, su / sus, nuestro / nuestra , nuestros / nuestras, vuestro/ vuestra, vuestros / vuestras, su / sus.
Im Spanischen ist es in der ersten und zweiten Person anders als im Deutschen. wir sagen meine Mutter und mein Vater. Im Spanischen ist es nur mi …
Man muss aufpassen, dass man nuestro und vuestro nicht mit nosotros und vosotros verwechselt.
Ich war sehr beeindruckt, wie viel hängen geblieben war, lobte die Gruppe und schlug dann vor, dass wir mit ein paar vertiefenden Übungen zu den neuen Formen weiter machen könnten – und das taten wir dann auch.
Dieser aus dem Moment entstandene Unterrichtseinstieg widerspricht so ziemlich allem, was ich im Referendariat gelernt habe. Er ist nicht einsprachig, hat kein motivierendes Element, führt nicht direkt ins neue Stundenthema ein. Wenn ich diese Anforderungen schreibe, spüre ich Enge, Widerstand gegen die Hochleistungsdidaktik, die uns damals als perfektionistisches Ideal vermittelt wurde. Ganz anders meine Wahrnehmung bei der Erinnerung an diesen unprätentiösen Moment.
Menschen entspannen sich, genießen Ruhe, Entspannung, den Austausch miteinander und möchten lernen, einfach so, weil es ein Moment dafür ist.
Pindo