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Ein Sprung in jedem Ding

Heute mal wieder Leonard Cohen gelauscht und an seiner Anthem hängen geblieben. Hier mein Versuch einer Übertragung ins Deutsche.

Für mich atmet die Hymne viel von Cohens Meditationserfahrungen. Die Jahre im Zen-Kloster strömen durch jede Zeile. Ich hoffe die Übertragung findet Gefallen. Anschließend zitiere ich das Original.

Pindo

 HYMNE
Die Vögel sie sangen
Zum Anbruch des Tages
Beginn von vorn
Das hört ich sie sagen
Verharr nicht bei
Vergangenem
Oder dem das noch nicht ist
 
Ja, Kriege, sie werden aufs Neue gekämpft
Die heil‘ge Taube
wieder gefangen sein
Gekauft und verkauft
Und wieder gekauft
Die Taube
Und niemals frei
 
Läutet die Glocken die noch läuten
Vergesst Euer vollkomm‘nes Opfer
Da ist ein Sprung in jedem Ding
Genau da kann das Licht herein.
 
Wir baten um Zeichen
Sie wurden gesandt
Geburten verraten
Und Ehen verschwendet
Ja, die Witwenschaft
ein jeder Regierung
Ist Zeichen für alle zu sehen
 
Ich kann nicht mehr laufen
Mit gesetzlosen Meuten
Während die Mörder da oben
Gebete posaunen
Aber sie hab'n sie erzeugt
Die Gewitterwolke
Und sie werden von mir hören
 
Läutet die Glocken die noch läuten
Vergesst Euer vollkomm‘nes Opfer
Da ist ein Sprung in jedem Ding
Da ist ein Sprung in jedem Ding
Genau da kann das Licht herein.
 
Du kannst die Teile zusammenzähl‘n
Und wirst doch keine Summe seh‘n
Du kannst zum Marsche blasen
Da ist aber keine Trommel
Jedes Herz zu lieben wird kommen
Aber wie einer auf der Flucht

Läutet die Glocken die noch läuten
Vergesst Euer vollkomm‘nes Opfer
Da ist ein Sprung in jedem Ding
Und genau da kann das Licht herein.
ANTHEM

The birds they sang
At the break of day
Start again
I heard them say
Don't dwell on what
Has passed away
Or what is yet to be
Yeah the wars they will
Be fought again
The holy dove
She will be caught again
Bought and sold
And bought again
The dove is never free
Ring the bells (ring the bells) that still can ring
Forget your perfect offering
There is a crack in everything (there is a crack in everything)
That's how the light gets in
We asked for signs
The signs were sent
The birth betrayed
The marriage spent
Yeah the widowhood
Of every government
Signs for all to see
I can't run no more
With that lawless crowd
While the killers in high places
Say their prayers out loud
But they've summoned, they've summoned up
A thundercloud
And they're going to hear from me
Ring the bells that still can ring
Forget your perfect offering
There is a crack, a crack in everything (there is a crack in everything)
That's how the light gets in
You can add up the parts
You won't have the sum
You can strike up the march
There is no drum
Every heart, every heart to love will come
But like a refugee
Ring the bells that still can ring
Forget your perfect offering
There is a crack, a crack in everything (there is a crack in everything)
That's how the light gets in
Ring the bells that still can ring (ring the bells that still can ring)
Forget your perfect offering
There is a crack, a crack in everything (there is a crack in everything)
That's how the light gets in
That's how the light gets in
That's how the light gets in
 

Das Häslein

Ein Buchgeschenk meiner Mutter lässt mich Christian Morgenstern neu entdecken. Das folgende Gedicht passt hier her:

Das lyrische Ich erfährt draußen in der Natur einen wunderbaren Moment des Verbundenseins mit dem großen Ganzen. Zauberhaft in Worte gefasst.

Die Verse stehen im Dialog mit einem Waldfoto, das im Sommer auf der Halbinsel Morrazo in Galicien entstanden ist.

Pindo

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Unterm Schirme, tief im Tann,
hab ich heut gelegen,
durch die schweren Zweige rann
reicher Sommerregen.

Plötzlich rauscht das nasse Gras –
stille! nicht gemuckt! -:
Mir zur Seite duckt
sich ein junger Has…

Dummes Häschen,
bist du blind?
Hat dein Näschen
keinen Wind?

Doch das Häschen, unbewegt,
nutzt, was ihm beschieden,
Ohren, weit zurückgelegt,
Miene, schlau zufrieden.

Ohne Atem lieg ich fast,
laß die Mücken sitzen;
still besieht mein kleiner Gast
meine Stiefelspitzen…

Um uns beide – tropf – tropf – tropf –
traut eintönig Rauschen…
Auf dem Schirmdach – klopf – klopf – klopf.
Und wir lauschen… lauschen…

Wunderwürzig kommt ein Duft
durch den Wald geflogen;
Häschen schnubbert in die Luft,
fühlt sich fortgezogen;

schiebt gemächlich seitwärts, macht
Männchen aller Ecken…
Herzlich hab ich aufgelacht -:
Ei der wilde Schrecken!

„Mit Bäumen kann man wie mit Brüdern reden“ …

Gestern ein ruhiger Tag mit der Familie im Wald.
Buchen, Linden, Eichen, Schluchten, Spechte, Kobolde, Vogelgesang, Holzofenbrot und ein Schlossgespenst an der Burg Rabenstein im hohen Fläming. Ein zauberhafter Ort.
Auf dem Weg ins Tal entstehen Fotos. Wir kommen an einer Tafel vorbei, die ein Gedicht von Erich Kästner darbietet:

Die Seele wird vom Pflastertreten krumm.
Mit Bäumen kann man wie mit Brüdern reden
und tauscht bei ihnen seine Seele um.
Die Wälder schweigen. Doch sie sind nicht stumm.
Und wer auch kommen mag, sie trösten jeden.

 

Pindo

Wanderer, deine Spuren …

Eines meiner liebsten spanischen Gedichte hat Antonio Machado geschrieben:

Caminante, son tus huellas
el camino y nada más;
Caminante, no hay camino,
se hace camino al andar.
Al andar se hace el camino,
y al volver la vista atrás
se ve la senda que nunca
se ha de volver a pisar.
Caminante no hay camino
sino estelas en la mar.

Meine eigene, die schlichte Schönheit nur teilweise wiedergebende Übersetzung lautet:

Wanderer, deine Spuren
sind der Weg und sonst nichts;
Wanderer, es gibt keinen Weg,
der Weg entsteht beim Gehen.
Beim Gehen entsteht der Weg,
und beim Blick zurück
sieht man den Pfad, den niemals
man wieder betreten wird.
Wanderer, es gibt keinen Weg,
sondern nur Spuren im Meer.

Vielleicht ein Credo: Ich nehme das Entstehen des Weges im Jetzt wahr und bin … glücklich.

Pindo