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Das Positive nähren

Warum ist es überhaupt notwendig, das Positive in seinem Leben zu nähren?

Zunächst einmal, weil wir Säugetiere sind und als solche darauf geeicht, negativen Erfahrungen – als tendenziell lebensbedrohend – eine größere Bedeutung beizumessen als positiven. Wie alle Säugetiere reagieren wir auf Bedrohungen instinktiv auf drei Weisen: Angriff, Flucht oder Schock-Starre.

In der heutigen, hoch komplexen Gesellschaft löst dieses instinktive Verhalten in uns Stress aus, da eine Situation nur selten eine der drei instinktiven Reaktionen ermöglicht. Meinen Schüler*innen mache ich das Dilemma an einer schulischen Situation deutlich:

Stellt euch vor, ihr seid im Unterricht und fühlt euch von einem Lehrer schikaniert. Welche der drei instinktiven Reaktionen ist wohl die angemessenste? Dem Lehrer eine rein hauen? Fluchtartig den Raum verlassen? Nichts passt so richtig. Deshalb fühlt ihr massiven Stress.

Hinzu kommt, dass wir in den westlichen Konsumgesellschaften über die Medien mit negativen Botschaften überschüttet werden. Sie erwecken unsere Säugetier-Aufmerksamkeit, und anschließend versuchen wir dem Angst-Wut-Gemisch durch Konsum zu entkommen. Der verschafft uns zwar einen positiven Kick. Nur hält er nicht lange an und wir rutschen wieder in die Negativität, die den nächsten Konsumreflex auslöst.

Der amerikanische Psychologe Rick Hanson erklärt, dass sich die Vorliebe fürs Negative auch im menschlichen Hirn nachweisen lässt: Während Erfahrungen, die mit negativen Emotionen wie Angst oder Wut besetzt sind, sofort vom Gehirn verarbeitet werden, benötigen positive Erfahrungen mindestens 30 Sekunden, um neuronale Spuren zu hinterlassen.

Gleichzeitig ist aber auch nachgewiesen, dass wir der Defizitorientiertheit nicht schutzlos ausgeliefert sind. Vielmehr können wir uns angewöhnen, in Situationen, die Freude auslösen, genau diese positive Emotion ganz bewusst für mindestens eine halbe Minute zu kultivieren. Damit leiten wir langfristig eine Neuverdrahtung unserer Neuronen ein und schaffen damit die Voraussetzungen, dass unser Hirn Schritt für Schritt dem Positiven mehr Raum einräumt.

Im folgenden Video, das ich über Fokus Achtsamkeit kennen gelernt habe, erläutert Hanson dies auf sehr anschauliche Weise und schlägt eine ganz einfache Übung vor, die, wenn sie täglich ausgeführt wird, eine Neuverschaltung in Richtung Erkennen und Genießen positiver Erfahrungen führen kann. Er nennt sie Taking in the Good .

Für meine Schülerinnen und Schüler habe ich eine deutschsprachige Anleitung der Übung aufgenommen. Sie finden sie hier.

Pindo