Schlagwort-Archive: Achtsamkeit im Alltag

Winter am See

Ungewöhnlich, dieser Winter 2015 – und doch voller kostbarer Momente.
Die Bilder entstanden vergangenes Wochenende am Sacrower See, nördlich von Potsdam. Ein Stück Skandinavien, 40 Minuten vom Kudammtrubel entfernt.
Pindo

(Übrigens: Frühjahrsfotos vom selben Ort finden Sie hier.)

AC/DC, David Bowie und ich … Achtsamkeit in der Pubertät?

Wenn ich meinen Schülern heute in ihre mehr oder weniger von Akne gezeichnete Gesichter blicke, denke ich oft an meine eigene Pubertät zurück. Im Alter von 13-18 Jahren fühlte ich mich wie ein Fähnchen im Wind, die Unsicherheit in Person, abhängig von den Moden, denen meine Freunde hinter her liefen, von ihren Meinungen und Werturteilen, ihrem Musikgeschmack. Puma oder Adidas? AC/DC, Bob Marley oder gar David Bowie? Entenschuhe und Kutte oder Popperlocken und Sasch-Hosen? Herr der Ringe toll finden ja oder nein? Jede dieser „hochbrisanten“ Entscheidungen schweißte mich an eine Gruppe und entfernte mich von einer anderen. Jahrelang befand ich mich im totalen Gefühlschaos, versuchte mich in der Quadratur des Kreises, dem Versuch es allen recht zu machen. Ich suchte die absolute Anerkennung von meinen Freunden und meiner festen Freundin,  wollte gleichzeitig aber die Wertschätzung meiner Eltern nicht verlieren. Manchmal hatte ich wochenlang ein Grummeln im Bauch und spürte einen Druck auf der Brust, der mir fast die Luft zum Atmen nahm. Meine hilflose Reaktion bestand darin, die inneren Stimmen zu ignorieren und die körperlichen Symptome weg zu drücken. Meine Gefühle machten mir Angst und ich versuchte sie rational zu bändigen – mit manchmal sehr unangenehmen Ergebnissen… Heute weiß ich, dass meine Intuition mir damals etwas vermitteln, mir vielleicht die Notwendigkeit aufzeigen wollte, eine für meine Entwicklung wichtige Entscheidung zu treffen. Damals jedoch stellte ich mich ihr gegenüber taub. Ich hatte ja nur eine vage Ahnung davon, was ich wollte, ja wer ich überhaupt war.   Kurz – ich war ein völlig verunsicherter und deshalb wohl ganz normaler, pubertierender Junge.
Und dann erhob sich in mir plötzlich die Frage:
Wie hätte ich meine Pubertät wohl erlebt, wenn ich damals Techniken wie die Sitzmeditation oder den Bodyscan beherrscht hätte? Wie hätte sich die Unsicherheit angefühlt, wenn ich mich ihr und den durch sie ausgelösten Gefühlen gestellt hätte, anstatt sie konsequent zu verdrängen?

Die sich einstellenden möglichen Antworten fühlten sich so spannend an, dass ich beschloss, ein Experiment zu wagen und Achtsamkeit meinen Schülern nahe zu bringen. Und ich machte mich auf die Suche nach dem geeigneten Weg.

Pindo

Ein achtsames Jahr später – Zwischenfazit

Die im vergangenen Eintrag formulierten Eindrücke aus einem MBSR-Kurs liegen nun mehr als ein Jahr zurück. Was hat sich seitdem in meinem Leben getan? Hier eine kurze Zwischenbilanz.

Ich habe es geschafft, die Meditation zum festen Bestandteil meines Alltags zu machen. Ich stehe in der Regel um 5:15 Uhr auf und meditiere eine halbe Stunde im Sitzen. Seit einigen Wochen ergänze ich die Sitzungen mit einer Viertelstunde Yogaübungen. Im Laufe des Tages versuche ich, mindestens 20 weitere Minuten Zeit für eine zweite Sitzung zu finden.
Meine Aggressionen sind praktisch verschwunden. Zwar gerät ab und zu immer noch mein Blut in Wallung. Jedoch gelingt es mir heute, rechtzeitig vor dem Ausbruch Kontakt mit meinen hochkochenden Emotionen aufzunehmen und sie mit wohlwollender Betrachtung zu bändigen. Im Extremfall verlasse ich den Raum, bis ich mich wieder beruhigt habe.
Wir haben achtsame Rituale ins Familienleben integriert, darunter den Familienrat, von dem ich in einem späteren Beitrag erzählen werde.
Die Beziehung zu meiner Partnerin hat enorm an Tiefe gewonnen.
Ich habe alte Freundschaften reaktiviert und lebe sie nun auf eine Weise, die zu meinem Lebensglück beiträgt.
Mein Beruf ist nach wie vor anstrengend, aber er frisst mich nicht mehr auf. Trotz der durchschnittlich 5 Stunden Nachtschlaf bin ich den Morgen über fast immer präsent, zugewandt und geduldig.
Meine Art des Kommunizierens hat sich verändert. Ich vertraue viel mehr als früher auf meine Intuition und erfahre im Beruf ein ausgesprochen positives Feedback von meinen Schülern und deren Eltern.
Ich habe ein Achtsamkeitstraining für meine Schüler ins Leben gerufen. Seit Beginn des Schuljahres meditieren meine 13-jährigen mit mir und reagieren darauf überwiegend sehr positiv. Auch hierüber bald ein eigener Beitrag.
Mein Unterrichten ist anders geworden. Durch die Kombination von Entspannungs- und Konzentrationsübungen mit fremdsprachendidaktischen Inhalten entwickle ich neue Übungs- und Arbeitsformen, deren Effizienz und ganzheitlicher Charakter mich und meine Schüler verblüffen.

Ich schaffe es, mehrere Projekte gleichzeitig zu bearbeiten, ohne dabei jemals in Panik zu geraten. Insgesamt leiste ich mehr und fühle mich glücklicher dabei.

Ich genieße Geräusche, Musik, Literatur, Bilder, die Natur auf eine ganz neue Weise, indem ich sie ganz neu wahrnehme.

Ich bin Brotbäcker geworden, backe seit vielen Monaten mehrfach in der Woche köstliches Brot und freue mich, wenn meine Töchter ihre Schulbrote gern essen.

Bin ich ein anderer Mensch geworden? Ach nein, viel schöner: Ich bin mehr ich selbst geworden!

Ich habe begonnen, diesen Blog zu schreiben.

Pindo